Stellungnahme Starkregenereignis

21.09.2021

CDU-Fraktion, Mathias Müller

Ich möchte zu den beiden Tagesordnungspunkten und insbesondere zum Schreiben von Matthias Hoffmann vom 14.09., mit der er die Ratsmitglieder über eine Eilentscheidung unterrichten wollte, für die CDU-Fraktion Stellung beziehen. Vorweg folgendes: wir haben bereits in unserer Anfrage klargestellt, dass wir zeitnah einen Handlungsbedarf sehen, dass aber sinnvolle und gesetzlich normierte Standards einzuhalten sind! Ich spreche dem Matthias Hoffmann überhaupt nicht ab, dass er in guter Absicht gehandelt hat, aber das Ganze scheint mir ein gutes Beispiel dafür zu sein, dass Gut gemeint oft das Gegenteil von Gut gemacht ist! Ich möchte das Geschehene sachlich aufarbeiten und die Probleme, die damit verbunden sind darstellen. Ich habe mich dazu auch mit der konkreten Rechtsprechung auseinandergesetzt. Am Ende werde ich einen Vorschlag unterbreiten, wie wir weiter mit der Angelegenheit verfahren könnten.

Beginnen möchte ich mit der Frage der Entscheidungskompetenz des Bürgermeisters. 

Zunächst ist festzustellen, dass die Sachlage kein Fall der laufenden Verwaltung gem. § 47 sein konnte, da es sich nicht um einen wirtschaftlich unbedeutenden Kostenfaktor handelte und auch nicht um eine mit einer gewissen Häufigkeit wiederkehrenden Entscheidung.

Nachdem hier eine Fremdfirma ohne detailliertes Fixieren eines Auftrags und ohne das Einholen eines Angebots beauftragt wurde, war die Höhe der Kosten von Beginn an unklar. Der Herr Bürgermeister bestätigt dies im ersten Abschnitt seiner Stellungnahme: "das Ausmaß und die möglichen Kosten für die getroffenen Maßnahmen (..) waren jedoch zum Zeitpunkt der Eilentscheidung am 2.8. überhaupt noch nicht absehbar".

Darüber hinaus gibt es enge Grenzen, wann sich ein Bürgermeister überhaupt auf das Eilentscheidungsrecht nach § 48 GemO berufen darf.

Ich zitiere aus einem Urteil des OVG RP:

§ 48 GemO ist als Ausnahmeregelung eng auszulegen, wobei streng zu prüfen ist, ob die Entscheidung wirklich eilbedürftig ist und worin der zu erwartende Nachteil besteht. Um zu verhindern, dass die gesetzliche Zuständigkeitsverteilung zwischen Bürgermeister und Gemeinderat leichtfertig unterlaufen wird, ist zu verlangen, dass ein schwerer und praktisch nicht wiedergutzumachender Schaden verhindert werden muss.

Auch ist zu prüfen, ob unter Ausnutzung der gemäß § 34 GemO vorgesehenen Möglichkeit der Verkürzung der Einberufungsfrist der Gemeinderat nicht doch noch zur Vermeidung des Nachteils eingeschaltet werden kann. Eine Eilentscheidung nach § 48 GemO kommt daher nur in ganz dringenden Fällen in Betracht, in denen eine Entscheidung binnen weniger Stunden getroffen werden muss (OVG RP, Urteil vom 13. April 2006 - 1 A 11596/05 -, Rn. 28, juris).

Zunächst ist schon nicht feststellbar, dass überhaupt ein schwerwiegender, unumkehrbarer Schaden gedroht hat.

Der Entscheidung vom 2.8. zu Grunde lag insbesondere ein etwa 125-jähriges Starkregenereignis aus dem Monat Juni. Die Feststellung des 125-jährigen Starkregenereignisses hatte Dr. Döll bereits in seinem ersten Entwurf getroffen, der dem Bürgermeister bereits seit dem 27.7. vorgelegen hatte.

Wie der Name schon sagt, war ein solch extremes Ereignis deshalb nicht am Tag der Eilentscheidung oder unmittelbar danach zu erwarten! Auch nehmen diese Starkregen, die regelmäßig aus Hitzegewittern resultieren, im Herbst ab und setzen erst im späten Frühjahr oder Frühsommer wieder ein.

Im Übrigen ist auch der Begriff "Gefahr im Verzuge" fehl am Platz, dieser stammt aus dem Strafprozessrecht und kommt in der Gemeindeordnung nicht vor.

Streng genommen handelt es sich auch um keinen Nachteil, der der Gemeinde unmittelbar gedroht hätte, objektiv betrachtet geht es hier um Oberflächenwasser, das nicht aus dem Kanal stammt und um ein Verhältnis zwischen Ober- und Unterliegern. Dies hatte auch der Bürgermeister erkannt, der die Kosten für die Maßnahme zunächst auf die Oberlieger umlegen wollte.

Insofern handelt es sich um freiwillige Leistungen der Gemeinde, die aber auch die CDU-Fraktion unterstützt hätte, allerdings in den zuständigen Gremien und auf Grundlage des Ratsbeschlusses vom 13.7., mit dem eine Prüfung der Kostenträgerschaft sowie ein Entwässerungskonzept in Auftrag gegeben wurde.

An anderer Stelle hat man sich nach dem Starkregenereignis mit BigPacks beholfen, diese hätte der Bauhof auf einer Länge von 5 m hier doch ebenfalls als Provisorium aufstellen können!

Wesentlich ist auch der zeitliche Faktor, der zwischen Feststellung und Eilentscheidung liegt; ich erinnere dabei an das Urteil des OVG, wonach hierfür nur wenige Stunden zugebilligt werden. Zwischen Feststellung des Erfordernisses vor Ort und mehrfacher Kontaktaufnahme mit der Verwaltung sowie der Abklärung bei drei Firmen vergingen mindestens Tage, womöglich sogar Wochen.

Damit wäre eine Sitzung des Gemeinderats, mindestens eines Ausschusses oder des Ältestenrats, möglich gewesen.

Jedenfalls hätte der Gemeinderat unter Verkürzung der Ladungsfrist noch rechtzeitig einen Beschluss fassen können, denn wenn die Voraussetzungen des § 48 S. 1 GemO zu bejahen gewesen wären, hätte auch Dringlichkeit im Sinne des § 34 Abs. 3 S. 2 GemO bestanden (vgl. OVG RP, Urteil vom 13. April 2006, a. a. O., Rn. 29) - damit wären dann auch kürzere Ladungsfristen möglich gewesen.

Dass es der Ortsbürgermeister gemäß § 48 S. 1 GemO auch versäumt hat im Benehmen mit den Beigeordneten zu handeln, darauf kommt es nach alledem nicht an, da es bereits an der Eilbedürftigkeit gefehlt hat.

Nach unserer Auffassung die sich an höchstrichterlicher Rechtsprechung orientiert, konnte sich der Bürgermeister bei der Auftragsvergabe am 2.8. nicht auf das Eilentscheidungsrecht berufen, da die Tatbestandsvoraussetzungen des § 48 S. 1 GemO nicht erfüllt waren. Der Gemeinderat wäre zwingend zu beteiligen gewesen.

Deshalb denke ich auch, dass wir hier heute nicht darüber abstimmen können, denn falls wir diese Kompetenzüberschreitung heilen, droht der Gemeinde ein Schaden, der heute offensichtlich noch gar nicht absehbar ist.

Wir denken, dass es sich hier um einen Fall der Amtshaftung, um einen Fall der Amtshaftpflicht, handelt.

Mit heutigem Stand ist es nicht möglich das endgültige Ausmaß der Kosten zu beziffern.

Das Gutachten von Dr. Döll weist zunächst einen anderen Verlauf des Bauwerks aus. Weiterhin, dass zwingend geotechnisches Personal beim Bau zu beteiligen ist. Was geschieht jetzt, wenn das Bauwerk dem nächsten großen Regenereignis nicht Stand hält und mit in die Ortslage gespült wird.

In der Kostenaufstellung des Bürgermeisters sind Aufträge zur Erstellung von Gutachten bzgl. Verdichtungs- und Standsicherungsnachweisen enthalten. Was geschieht, wenn diese Gutachten Mängel aufzeigen und ein Rückbau erforderlich wird?!

Zu Recht weist Dr. Döll in seinem Gutachten darauf hin, dass alle Beteiligten einzubeziehen sind. Dass hier eine Maßnahme solchen Umfangs auf fremden Grund und Boden gebaut wurde ohne je mit den Eigentümern gesprochen zu haben, ist ungeheuerlich. Was geschieht, wenn ein Grundstückseigentümer den Rückbau einfordert?!

Auch sind die Geländeankäufe, die nun zu tätigen sind, in der Kostenaufstellung gar nicht erwähnt. Vorher wäre die Verhandlungsposition der Gemeinde eine andere gewesen als jetzt, wo

doch bzgl. des Standorts Fakten geschaffen und Grundstückseigentümer brüskiert worden sind.

Nachdem keine Ausschreibung ergangen war, ist für uns nicht ohne Weiteres nachvollziehbar auf welcher Grundlage die Firma abgerechnet hat - oder noch abrechnet. Bezüglich der Auftragsausführung hatte die Firma offensichtlich weitgehend freie Hand. Womöglich auch was sie uns in welcher Höhe in Rechnung stellt! Nach Lesart der Stellungnahme müssen wir davon ausgehen, dass es nicht gesichert ist, dass nicht doch noch weitere Rechnungspositionen offenstehen.

Klar ist inzwischen auch, dass die VG sich als Kostenträger distanziert hat, da es sich um Oberflächenwasser handelt. Hier hätten wir zunächst die Anlage von Entwässerungsgräben und eines Kaskadensystem wie von Herrn Dr. Döll vorgeschlagen, prüfen sollen, dann hätten wir ganz andere Argumente gehabt.

Auch das Baugebiet hinter dem Anwesen Schick kann jetzt nicht ohne Weiteres und für die Gemeinde kostenneutral in die Maßnahmen integriert werden, weil ohne Not vollendete Tatsachen geschaffen wurden.

Aus all diesen Gründen und vor allem, weil das ganze Ausmaß im Moment noch gar nicht absehbar ist, können wir die Kompetenzüberschreitung heute nicht durch einen Gemeinderatsbeschluss heilen. Damit würden wir auch eine Behandlung als Amtshaftungsfall verhindern.

Wir schlagen vor, die Aufarbeitung dem Rechnungsprüfungsausschuss zu übergeben.

Dieser kann dann die Auftragsvergabe, die Rechnungsstellung, die endgültigen Kosten sowie alle weiteren Auswirkungen im Detail erörtern und dem Rat eine Empfehlung aussprechen.

Im Übrigen wäre es ohnehin Zeit, dass nach zweieinhalb Jahren erstmals ein Rechnungsprüfungsausschuss zusammenkommt.

Dieser hat gemäß § 112 GemO nicht nur die Aufgabe den Jahresabschluss der Gemeinde zu prüfen sondern eben auch gemäß Ziffer 6 die dauernde Überwachung der Zahlungsabwicklung der Gemeinde und der Eigenbetriebe einschließlich der Sonderkassen sowie die Vornahme der regelmäßigen und unvermuteten Kassenprüfungen.

Und abschließend: es geht nicht darum jemanden zu beschädigen oder einen Mitarbeiter der Verwaltung an den Pranger zu stellen - Sie werden in meiner Stellungnahme auch keinen persönlichen Angriff entdeckt haben. Es geht darum Nachteile von der Gemeinde, von den Steuerzahlern abzuwenden und auch um eine sachliche Aufarbeitung, die verhindert, dass so etwas nochmals passiert.

Deshalb bekräftige ich hiermit erneut unseren Vorschlag auf Verweisung in den Rechnungsprüfungsausschuss!

Kopie für Fraktionen/Presse

§ 112 Aufgaben und Befugnisse der örtlichen Rechnungsprüfung (1) Der Rechnungsprüfungsausschuss und das Rechnungsprüfungsamt haben insbesondere folgende Aufgaben: 1. die Prüfung des Jahresabschlusses sowie der Anlagen zum Jahresabschluss der Gemeinde, 2. die Prüfung der Jahresabschlüsse der Sondervermögen, sofern die Prüfung nicht sachverständigen Abschlussprüfern vorbehalten ist, 3. die Prüfung des Gesamtabschlusses sowie der Anlagen zum Gesamtabschluss der Gemeinde, 4. die Prüfung der Vorgänge in der Finanzbuchhaltung zur Vorbereitung der Prüfung des Jahresabschlusses, 5. die Prüfung, ob die Haushaltswirtschaft vorschriftsmäßig geführt worden ist, 6. die dauernde Überwachung der Zahlungsabwicklung der Gemeinde und der Eigenbetriebe einschließlich der Sonderkassen sowie die Vornahme der regelmäßigen und unvermuteten Kassenprüfungen, 7. die Kontrolle, ob die bei der Finanzbuchhaltung der Gemeinde und ihrer Sondervermögen eingesetzten automatisierten Datenverarbeitungsprogramme vor ihrer Anwendung geprüft wurden.

§ 47 Stellung und Aufgaben des Bürgermeisters (1) Der Bürgermeister leitet die Gemeindeverwaltung und vertritt die Gemeinde nach außen. Neben den ihm gesetzlich oder vom Gemeinderat übertragenen Aufgaben obliegen ihm 1. die Vorbereitung der Beschlüsse des Gemeinderats im Benehmen mit den Beigeordneten und der Beschlüsse der Ausschüsse, soweit er selbst den Vorsitz führt; 2. die Ausführung der Beschlüsse des Gemeinderats und der Ausschüsse; 3. die laufende Verwaltung; 4. die Erfüllung der der Gemeinde gemäß § 2 übertragenen staatlichen Aufgaben.

Zu den Geschäften der laufenden Verwaltung gehören die Angelegenheiten, die für die Gemeinde weder nach der wirtschaftlichen noch nach der grundsätzlichen Seite von wesentlicher Bedeutung sind und die mit einer gewissen Häufigkeit wiederkehren (OVG RP, Urteil vom 12. Januar 1999 - 6 A 10972/98.OVG -, ESOVG, m. w. N.), so dass nach feststehenden Grundsätzen verfahren wird (PdK RhPf B-1, GemO § 47, Ziff. 2.3.2, beck-online).

Die Entscheidung über die Ertüchtigung der Aufschüttung zum Schutz vor Erdmassen stellte keine derartige Routineangelegenheit dar, denn sie erforderte umfassende Zweckmäßigkeitserwägungen. Hierbei war insbesondere über die Wirtschaftlichkeit der Maßnahme zu entscheiden.

§ 48 Eilentscheidungsrecht Der Bürgermeister kann in Angelegenheiten, deren Erledigung nicht ohne Nachteil für die Gemeinde bis zu einer Sitzung des Gemeinderats oder des zuständigen Ausschusses aufgeschoben werden kann, im Benehmen mit den Beigeordneten anstelle des Gemeinderats oder des Ausschusses entscheiden. Die Gründe für die Eilentscheidung und die Art der Erledigung sind den Ratsmitgliedern oder den Mitgliedern des zuständigen Ausschusses unverzüglich mitzuteilen. Der Gemeinderat oder der zuständige Ausschuss kann in seiner nächsten Sitzung die Eilentscheidung des Bürgermeisters aufheben, soweit nicht bereits Rechte Dritter entstanden sind.